Wie es wirklich um die Banken steht
Die Turbulenzen rund um die Bankenpleiten in den USA haben sich wieder gelegt – der befürchtete Flächenbrand ist ausgeblieben. Ist das Schlimmste damit wirklich vorüber? Die monatliche Einschätzung von VZ-Anlagechef Christoph Sax vom 10. Mai 2023.

Christoph Sax
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Lagebeurteilung: Solide Großbanken, Unsicherheiten bei US-Regionalbanken bleiben
An den Finanzmärkten hat sich die Stimmung nach der erzwungenen Übernahme der Credit Suisse durch die UBS verbessert. Der befürchtete Flächenbrand ist ausgeblieben. In den USA fielen die Ergebnisse der Großbanken zum ersten Quartal erfreulich aus. Viele Banken haben zwar ihre Rückstellungen für Kreditausfälle erhöht, die Kreditqualität hat sich bislang jedoch nicht wesentlich verschlechtert. Punkto Gewinnwachstum schnitten die US-Finanzinstitute im ersten Quartal besser ab als erwartet. Gegenüber dem ersten Quartal 2022 resultierte eine durchschnittliche Ertragssteigerung von 4,9 Prozent. Die Earnings Season zum 1. Quartal verlief generell besser als erwartet.
Notverkauf von First Republic
Auch zahlreiche kleinere Institute haben Quartalszahlen gemeldet. Diese standen nach dem Kollaps mehrerer US-Regionalbanken unter besonderer Beobachtung. Die Ergebnisse fielen ermutigend aus. Lediglich die First Republic Bank aus San Francisco überraschte negativ. Die Regionalbank war bereits im März in die Schlagzeilen geraten, da sie ihre Bilanz kaum gegen Zinsänderungen abgesichert hatte und viele wohlhabende Kunden ihre Einlagen deshalb abgezogen hatten. First Republic hatte von mehreren Großbanken eine Liquiditätsspritze über 30 Mrd. Dollar erhalten, welche sich jedoch als unzureichend herausstellte. Aus dem Quartalsbericht ging hervor, dass von Januar bis März rund 100 Mrd. Dollar an Kundeneinlagen abgeflossen sind. Die US-Behörden hatten deshalb mehrere Großbanken aufgefordert, Aktiva von First Republic aufzukaufen. Der Großteil der Einlagen und Vermögenswerte wurde von JPMorgan Chase übernommen. Die Kursentwicklung der Regional¬banken blieb jedoch volatil: Es mehren sich die Anzeichen, dass die US-Behörden notfalls Maßnahmen treffen würden, um Kapitalabflüsse einzudämmen um eine etwaige kritische Situation zu beruhigen.
Banken drosseln Kreditvergabe
Experten sind sich uneins, wie sehr die jüngsten Bankenpleiten die Liquiditätsversorgung beeinträchtigen werden. Die Finanz-Indikatoren deuten darauf hin, dass die Banken vorsichtiger Kredite vergeben. Die Wirkung der Leitzinserhöhungen wird dadurch verstärkt. Die positive Seite davon: Es sind voraussichtlich weniger Leitzinserhöhungen nötig als zunächst gedacht. Denn die mit der geringeren Kreditvergabe verbundene Abschwächung der Konjunktur dürfte den Inflationsdruck hemmen.
"Soft Landing" noch möglich
Eine sanfte Landung der Konjunktur ist daher noch immer möglich: Der Dienstleistungssektor profitiert weiterhin von Aufholeffekten nach der Pandemie. Sowohl in der Eurozone als auch in den USA haben die Dienstleister im April an Fahrt gewonnen. Vor allem konsumnahe Bereiche entwickeln sich ansprechend. Die Rezession ist deshalb vorerst vertagt. Die geldpolitische Straffung wird ihre volle Wirkung allerdings erst noch entfalten. Stand heute dürfte die Abschwächung der Konjunktur in der Eurozone und den USA aber nicht allzu stark ausfallen – zumal die Fiskalpolitik vergleichsweise expansiv bleibt.
Fazit
- Solide Quartalsergebnisse
- Die Konjunktur hat im April an Fahrt gewonnen.
- Die Leitzinserhöhungen werden ihre volle Wirkung aber erst noch entfalten.
Aktien: Europäische Aktienmärkte weiter in Führung
Die deutschen und europäischen Aktienmärkte konnten ihre Führungsposition seit Jahresbeginn nicht nur behaupten, sondern ab Ende März die übrigen Regionen und Länder teils deutlich übertreffen. Insbesondere der starke Euro ließ Kursgewinne in US-Dollar aus Sicht von Anlegern aus der Euro-Zone zusammenschmelzen. Einen negativen Einfluss hatte dieser Währungseffekt auch auf Aktien aus Japan, den Schwellenländern und dem Pazifikraum ex Japan. Der MSCI Emerging Markets hat nach einem guten Auftakt wieder nach unten gedreht. Dabei hat vor allem die schwache Entwicklung von chinesischen Aktien belastet. Im Gegensatz zu vielen westlichen Staaten wurde in China nach dem Ende der Corona-Lockdowns nur wenig an fiskalem oder geldpolitischem Stimulus auf den Weg gebracht.
Erneute Sektor-Rotation
Gefragt waren in den letzten Wochen Aktien von defensiven Sektoren wie dem Basiskonsum, dem Gesundheitswesen sowie Versorger. Dies lässt sich mit der gestiegenen Nervosität an den Aktienmärkten erklären. Die Marktteilnehmer fürchten sich wieder vermehrt vor einen wirtschaftlichen Abschwung. Entsprechend gaben Energietitel und Grundstoff-Hersteller aufgrund zurückgekommener Rohstoffpreise stärker nach. Auch die globalen Small Caps büßten mehr ein als die höher kapitalisierten Werte. Das steht im Kontrast zum Jahresanfang, als Branchen im Aufwind waren, die 2022 deutlich korrigiert hatten. Damals hatten insbesondere die wachstumsorientierten Bereiche wie Technologie, zyklischer Konsum oder auch Kommunikationsdienstleister profitiert. Allerdings nahm die Marktbreite in diesen Sektoren ab. Aktuell werden diese drei Sektoren hauptsächlich von den Megacaps getragen. Diese Unternehmen konnten mit ihren Zahlen zum ersten Quartal überzeugen.
Schweizer Aktienmarkt stark
Auch der Schweizer Aktienmarkt konnte dank der drei Indexschwergewichte von der Sektorrotation profitieren. Die am stärksten gewichteten Unternehmen überzeugten mit ihren Quartalsabschlüssen. Für Euro-Anleger machte zudem der starke Schweizer Franken Freude: Für einen Euro erhält man inzwischen weniger als 98 Rappen. Diese Entwicklung spiegelt sich als Währungsgewinn im Portfolio wieder.
Fazit
- Erneute Rotation zu defensiven Sektoren.
- Wechselkursbereinigt sind die Aktienmärkte größtenteils weiterhin im Aufwind.
- Anleger aus dem Euro-Raum erzielten Währungsgewinne in der Schweiz.
Zinsen: In den USA könnte die Straffung der Geldpolitik bereits abgeschlossen sein
Im vergangenen Monat haben sich die Märkte wieder weitgehend beruhigt. Die Sorgen um das globale Bankensystem haben abgenommen. Die Eingriffe der Notenbanken zur Rettung diverser Banken zeigten Wirkung. Die Kapitalmarktzinsen entwickelten sich seit Anfang März rückläufig: In der Eurozone stiegen die Zinsen wieder etwas, während sich in den USA der Abwärtstrend fortsetzte. Im Vergleich zum Jahresbeginn waren die langfristigen Zinsen niedriger.
Das liegt unter anderem daran, dass sich die Inflation allmählich abschwächt. Noch ist jedoch nicht absehbar, dass die Inflationsraten wieder unter zwei Prozent und damit in den Zielbereich der Notenbanken fallen. Am stärksten gesunken sind die Preise bei den Energieträgern. Die Kerninflation, welche die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise ausschließt, ist in Europa und in Amerika sogar noch etwas gestiegen.
Die Fed signalisiert eine Pause
Die EZB und die US-Notenbank (Fed) haben ihre Geldpolitik deshalb weiter gestrafft. Die Fed hat das Leitzinsband um 0,25 Prozentpunkte auf 5,0 bis 5,25 Prozent angehoben. Gemäß den Prognosen des Offenmarkt-Ausschusses dürfte damit der Höhepunkt des Zinsstraffungszyklus erreicht sein. Einige Marktteilnehmer erwarten sogar, dass die Fed den Leitzins noch dieses Jahr wieder senken wird.
Die EZB hat ihren Leitzins Anfang Mai ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Der Einlagesatz liegt nun bei 3,25 Prozent. Der Leitzins bei 3,75 Prozent. Auch die EZB gab sich beim Ausblick etwas weniger restriktiv. Es dürften in den kommenden Monaten zwar noch einzelne Leitzinserhöhungen folgen. Aber auch in der Eurozone dürfte das Ende der Zinserhöhungszyklus relativ bald anstehen.
Fazit
- Mit der jüngsten Zinserhöhung der US-Notenbank neigt sich die geldpolitische Straffung langsam dem Ende zu.
- Ein schwaches konjunkturelles Umfeld mit rückläufiger Inflation ist eine gute Voraussetzung für die positive Wertentwicklung von festverzinslichen Anlagen.
Weitere Anlageklassen: Konjunktursorgen belasten den Ölpreis
Gold und Silber im Aufwind
Die Unsicherheiten im Bankensektor und der etwas schwächere US-Dollar trieben die Anleger in sichere Häfen. Dazu zählten auch Gold und Silber. Nachdem bereits Anfang April über 2.000 US-Dollar pro Feinunze Gold bezahlt wurden, erklomm der Preis Ende April 2.050 US-Dollar und notierte jüngst wieder etwas leichter bei rund 2.020 US-Dollar. Der etwas volatilere Silberpreis stieg in einem parallelen Kursverlauf bis auf 26 US-Dollar.
Ölpreis unter Druck
Die Ölpreise bleiben aufgrund schwächerer globaler Konjunkturaussichten unter Druck. Sowohl gute Wirtschaftsdaten aus China als auch die Ankündigung von Förderkürzungen durch die OPEC+ verhalfen den Ölnotierung nur kurzfristig zu Kursgewinnen. Von Mitte bis Ende April fiel der Preis für ein Fass der Sorte WTI von über 80 auf unter 70 US-Dollar. Anfang Mai profitierte der Ölpreis von der angestiegenen Korrelation von Energiewerten und Bankaktien. Der Preis für ein Fass Öl der Sorte WTI konnte sich über 70 US-Dollar erholen.