Was die Leitzinserhöhungen 2023 für Anleger bedeuten
Die EZB hat die Leitzinsen am 4. Mai um weitere 0,25 Prozent erhöht. Grund ist die anhaltend hohe Inflation. Der wichtigste Leitzins steht damit nun bei 3,75 Prozent. Am Vortag hatte die US-Notenbank (Fed) ihre Leitzinsen ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte angehoben.

Andreas Limoser
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Im Kampf gegen die Inflation geht die Europäische Zentralbank (EZB) konsequent voran. Am 4. Mai hat sie den Leitzins für die Eurozone um weitere 0,25 Prozentpunkte angehoben – auf jetzt 3,75 Prozent. Den für die Finanzmärkte wichtigeren Einlagesatz hob die EZB ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent an. Damit nahm die EZB im Kampf gegen die Inflation den Fuß etwas vom Gas. Zuvor hatte sie die Leitzinsen mehrmals um 0,5 und sogar 0,75 Prozentpunkte angehoben.
Die nächsten Sitzungen, auf denen der EZB-Rat über die Leitzinsen entscheidet, finden statt am 15. Juni, 27. Juli und 14. September.
Zuletzt hatte die EZB die Leitzinsen erst Anfang Februar und dann Mitte März um jeweils 0,5 Prozentpunkte angehoben. 2022 hatte die EZB den Leitzins im Juli (0,5 Prozentpunkte), September (0,75 Prozentpunkte), Oktober (0,75 Prozentpunkte) und Dezember (0,5 Prozentpunkte) angehoben. Ziel der Maßnahme ist es, Kredite zu verteuern. Damit soll die Nachfrage und in der Folge die Inflation gebremst werden.
Leitzinserhöhungen der US-Notenbank Fed
Am 3. Mai hat die US-Notenbank (Fed) ihr Leitzins-Band um 0,25 Prozentpunkte auf 5,00 bis 5,25 Prozent angehoben. Erst am 22. März und am 1. Februar hatte die Fed ihr Leitzins-Band je um 0,25 Prozentpunkte auf zuletzt auf 4,75 bis 5,00 Prozent angehoben. Anfang 2022 hatte das Leitzins-Band bei 0,00 bis 0,25 Prozent gelegen, bevor es 2022 sieben Leitzinserhöhungen gab: im März (0,25 Prozentpunkte), im Mai (0,5 Prozentpunkte), im Juni, Juli, September und Oktober (je 0,75 Prozentpunkte) und im Dezember (0,5 Prozentpunkte).
Die nächsten Sitzungen des "Federal Open Market Committee" (FOMC), auf denen über die Leitzinsen entschieden wird, finden statt am 13./14. Juni, 25./26. Juli, 19./20. September, 31 Oktober/1. November und am 12./13. Dezember 2023.
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Leitzinserhöhungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB)
Am 23. März hat auch die Schweizerische Nationalbank beschlossen, ihren Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf neu 1,5 Prozent anzuheben. Ab Mitte 2019 hatte der Leitzins im negativen Bereich bei -0,75 Prozent gelegen. Im Juni 2022 wurde er um 0,5 Prozentpunkte auf -0,25 Prozent angehoben. Mit der Erhöhung im September um 0,75 Prozentpunkte lag er mit 0,50 Prozent wieder im positiven Bereich. Im Dezember 2022 erfolgte eine weitere Anhebung um 0,50 Prozentpunkte auf 1,0 Prozent.
Die nächsten Sitzungen der SNB zur "Geldpolitischen Lagebeurteilung" finden statt am 22. Juni, 21. September und 14. Dezember 2023.
Der Grund für die Leitzinserhöhungen ist immer derselbe: Angesichts der hohen Inflationsraten können es sich die Notenbanken nicht mehr leisten, ihre jahrelange expansive, wirtschaftsunterstützende Geldpolitik fortzuführen. Denn ohne Zinserhöhungen würden die Notenbanken die bereits stark angestiegene Inflation weiter nach oben treiben. Daher erfolgte bei den Notenbanken ein Umdenken – notgedrungen.
Doch was bedeutet das genau? Nachfolgend erklären wir ein paar Begriffe, die im Zusammenhang mit Notenbanken immer wieder fallen.
Leitzinsen
Leitzinserhöhungen und -senkungen sind ein klassisches Instrument der Notenbanken, um die Geldpolitik zu steuern. Steigen die Zinsen, wird es für die Geschäftsbanken teurer, Geld bei ihrer Notenbank auszuleihen. Die Geschäftsbanken geben die höheren Kosten an ihre Kunden weiter. Entsprechend sinken die Anreize in der Privatwirtschaft, Kredite zu beziehen. Gleichzeitig werden Anleihen interessanter, weil sie höhere Zinsen abwerfen.
Gesamtwirtschaftlich haben Zinserhöhungen das Ziel, die Konjunktur abzukühlen und die Teuerungsrate zu senken. In einem solchen Umfeld steigt die Sparquote der Bevölkerung, während die Neigung zum Investieren eher sinkt.
Mindestreservesätze
Ein weiteres Instrument der Notenbanken sind die Mindestreservesätze, die Geschäftsbanken als Sicherheit hinterlegen müssen. Dieses Geld steht den Banken dann nicht zur Kreditvergabe zur Verfügung. Erhöht die Notenbank den Mindestreservesatz, wird die umlaufende Geldmenge reduziert. Auch diese Maßnahme kann zur Senkung der Inflation beitragen.
Anleihekaufprogramme
Seit der Finanzkrise 2007/2008 sind die Notenbanken zunehmend durch direkte Käufe von Staats-, später auch Unternehmensanleihen tätig. Darunter versteht man den Kauf von Wertpapieren unmittelbar bei den Geschäftsbanken oder über die Börse. Ein durch dieses Programm künstlich gesenktes Zinsniveau hatte das Ziel, durch mehr ausgegebene Kredite die Wirtschaft zu stimulieren. Dabei wurde das relative Gewicht der jeweiligen Volkswirtschaft an der gesamten Eurozone auch beim Anteil der Anleihekäufe im Durchschnitt umgesetzt. Ende Juni dieses Jahres wurde das Anleihekaufprogramm der EZB beendet. Anleihen, die im Rahmen dieses Programms gekauft wurden und zur Endfälligkeit auslaufen, werden jedoch wieder durch den Kauf neuer Anleihen durch die EZB ersetzt.
Auf diese Weise wurde die Wirtschaft der Eurozone gestützt, aber auch die Geldmenge ausgeweitet. Je nach Währungsraum haben die Notenbanken unterschiedliche Ziele. Ein Ziel ist die Sicherstellung der Preisstabilität. Hinzu kommt die Unterstützung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, sofern dies nicht dem Inflationsziel entgegensteht.
Was bedeuten die Notenbankentscheidungen für Sparer und Anleger?
Für Vorsorgesparer ändert sich durch die Entscheidungen der Notenbanken erstmal nichts, solange die Inflationsraten über den Zinsniveaus bleiben. Denn dadurch bleiben die Realrenditen (Zinsen minus Inflation) negativ und das eingesetzte Kapital verliert an Kaufkraft. Daher ist ein breit gestreutes Anlageportfolio mit Aktien, Anleihen und eventuell auch Immobilien sinnvoll. Sämtliche Anlageklassen lassen sich mittels börsengehandelter Indexfonds (ETFs) günstig und transparent umsetzen.
Im Einzelnen wirken sich die steigenden Zinsen folgendermaßen auf die wichtigsten Anlageklassen aus:
Anleihen
Steigende Zinsen können die Kurse von bestehenden Anleihen belasten, weil neu ausgegebene Anleihen einen höheren Zinscoupon bekommen. Um auf die gleiche Rendite wie die neuen Papiere zu kommen, müssen die Kurse von bestehenden Anleihen deshalb nachgeben. Betroffene Anleger sollten sich davon aber nicht verunsichern lassen. Kursverluste sind bei Anleihen immer nur temporär.
Am Laufzeitende bekommen Anleihen-Inhaber stets den Nennwert von 100 Prozent ausgezahlt – vorausgesetzt, der Emittent bleibt zahlungsfähig. Aufgrund der seit Anfang des Jahres deutlich gestiegenen Zinsen sind Anleihen wieder eine vielversprechende Geldanlage und können damit einen wichtigen Beitrag zum Anlageerfolg leisten.
Aktien
Grundsätzlich mögen die Aktienmärkte steigende Zinsen nicht, weil sie Anleihen attraktiver machen und dadurch als Anlageklasse stärker mit Aktien konkurrieren können. Zudem verteuern steigende Zinsen die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen. Das kann aber auch positive Folgen nach sich ziehen: Solche Situationen nutzen nämlich in der Regel viele Firmen, um ihre Strukturen zu verschlanken und ihre Verschuldung zu reduzieren. Sinkt dank der steigenden Zinsen die Inflation, entlastet das die Firmen beim Einkauf.
Das alles könnte den Aktienkursen mittel- bis langfristig auf die Sprünge helfen. Grundsätzlich gilt: Über Zeiträume von zehn Jahren und mehr haben Anleger am breiten Aktienmarkt in der Vergangenheit fast immer Gewinne erzielt – egal wann sie eingestiegen sind. Es gibt zwar keine Garantie dafür, dass dies in Zukunft auch so sein wird. Viele Aktien sind nach der jüngsten Kurskorrektur aber wieder attraktiv bewertet. Anleger, die jetzt einsteigen oder aufstocken, könnten langfristig mit einer attraktiven Rendite belohnt werden.
Immobilien
Für Immobilien können steigende Zinsen problematisch sein. Denn Liegenschaften werden häufig zu großen Teilen fremdfinanziert. Höhere Zinsen verteuern die Finanzierungskonditionen in erheblichem Maße. Dadurch werden Immobilien als Renditeobjekte unattraktiver. Die Folgen sind bereits ersichtlich: Nach Jahrzehnten steigender Immobilienpreise gehen die Preise für Häuser und Wohnungen in vielen Regionen in Deutschland spürbar zurück. Für Objekte in weniger gesuchten Lagen ist es teilweise schwer geworden, einen Käufer zu finden.
Fazit: Mit einem intelligenten Mix aus Aktien und Anleihen sollten Anleger in Zeiten steigender Zinsen gut aufgestellt sein. Mit Kursschwankungen muss allerdings immer gerechnet werden. Auch Immobilien können nach wie vor eine sinnvolle Rolle im Gesamtvermögen spielen. Angesichts der mittlerweile deutlich gestiegenen Finanzierungszinsen müssen Immobilienkäufer heute allerdings genau rechnen, ob sich der Erwerb eines weiteren Objekts noch lohnt oder ob es sogar sinnvoll sein kann, sich von dem einen oder anderen Objekt zu trennen.
Tipp: Lassen Sie sich von einem Berater in einem VZ VermögensZentrum in Ihrer Nähe in einem kostenfreien Erstgespräch erläutern, wie Sie Ihr Portfolio in Zeiten steigender Zinsen unter Berücksichtigung Ihres Immobilienvermögens sinnvoll zusammenstellen können.
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