Privileg der Freiheit
Handelsblatt, 30.12.2021
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des VZ mit Ergänzungen.
In Deutschland leben rund 700.000 Privatiers. Sie müssen nicht mehr arbeiten, sondern leben von ihrem Vermögen. Das wünschen sich viele. Tom Friess vom VZ VermögensZentrum zeigt Wege, wie sich dieses Ziel erreichen lässt.
Ein Privatier lebt nicht vom Gehalt oder der Rente, sondern von seinem Vermögen. Er erzielt Kapitalerträge wie Zinsen und Dividenden, hat Mieteinnahmen oder nutzt seine Ersparnisse. Häufig kommen Privatiers plötzlich zu Geld: Sie verkaufen ihr Unternehmen, machen eine Erbschaft oder erhalten eine Abfindung. Statt selbst zu arbeiten, beschäftigen viele nun einen Vermögensverwalter, der ihnen dabei hilft, ihr Kapital richtig anzulegen und zu bewirtschaften.
Mit der Abfindung in die Frührente
Ein Beispiel: Wer mit Mitte 50 eine hohe Abfindung bekommt, stellt sich oft die Frage, ob sich damit die Zeit bis zur Rente überbrücken lässt. Doch wer von seinem Ersparten leben will, bis die Renteneinkünfte beginnen, muss dafür genug Kapital haben und auch ganz genau rechnen. "Das ist alles eine Frage der Relation", sagt Tom Friess vom VZ VermögensZentrum.
Für eine solche geplante Frührente muss man akzeptieren, dass dabei zum Beispiel die Abfindung zum Großteil verbraucht werden wird. Tom Friess weiß, dass das den meisten Menschen schwerfällt: "Denn der erste Impuls eines Sparers ist: jeden gesparten Euro nie mehr ausgeben." Das führt bei den meisten dazu, dass sie eher zu vorsichtig sind. "Es könnten viel mehr Menschen frühzeitig in den Ruhestand gehen, wenn sie sich trauten", meint Tom Friess. Mit 56 oder 57 hätten viele so viel Geld auf der hohen Kante, dass sie – konservativ gerechnet – mit 90 immer noch ein Drittel ihres Vermögens haben würden.
Budget für den Ruhestand ermitteln
Tom Friess rät, sich das Thema rundum anzuschauen. Die wichtigste Frage ist: "Was ist mit einem bestimmten Einkommen und Vermögen an Lebensstandard möglich?", sagt Tom Friess. Und: "Was bedeutet es für mich, meine Berufstätigkeit zu reduzieren oder ganz aufzugeben?" Auch sollte man genau berechnen, wie groß die Rentenlücke sein könnte. "Es gibt durchaus Menschen, die zu viel ausgeben", weiß Tom Friess. Allerdings seien die meisten eher zu vorsichtig.
Etappenstrategie nutzen
Damit das Vermögen bis zum Rentenbeginn reicht, sollte es strategisch und kapitalschonend eingesetzt werden. Das VZ VermögensZentrum arbeitet mit der sogenannten Etappenstrategie. Dabei wird mit Zehn-Jahres-Etappen gearbeitet. Das Kapital wird in einen Verbrauchs- und einen Wachstumsteil aufgeteilt. Der Verbrauchsteil wird festgelegt, dass das Kapital die benötigten Auszahlungen der ersten zehn Jahre sicherstellt.
In vielen Fällen macht der Verbrauchsteil laut Friess etwa ein Drittel bis die Hälfte des Vermögens aus. Dieser Teil des Vermögens wird risikoarm angelegt. Er soll eine Rendite von rund 2 Prozent pro Jahr erzielen, nach Steuern und Kosten und unter Berücksichtigung der Inflation.
Das übrige Vermögen fließt in den Wachstumsteil. Dieser wird in globale Aktienfonds investiert, um Erträge zu erzielen, die das verbrauchte Kapital innerhalb von 10 Jahren wieder auffüllen. Tom Friess setzt für den Wachstumsteil eine Rendite von 4 bis 6 Prozent pro Jahr an (nach Kosten und Steuern). Ein solches Depot hat aber auch Potenzial für mehr. Wertpapiere unterliegen Wertschwankungen, Verlustrisiken und gegebenenfalls Fremdwährungsrisiken.
Mit ETF-Sparplan Kapital aufbauen
Genug Vermögen anzusparen, um davon leben zu können, ist nicht ganz einfach. Wer Sparraten von 300 bis 400 Euro pro Monat in den breiten Aktienmarkt investieren könnte, gehöre zwar zu den Privilegierten, weil er überhaupt sparen könne, sagt Tom Friess. Doch Privatier werde man so schwerlich.
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Berufseinsteiger haben ohnehin nicht umgehend den Wunsch, möglichst schnell nicht mehr arbeiten zu müssen. Tom Friess findet, wer mit Begeisterung etwas mache und gutes Geld verdiene, sollte sein Geld zunächst ausgeben, sich Lebensqualität schaffen und das Leben genießen. Und nach zwei bis drei Jahren könne er dann übers Sparen nachdenken.
Als Erstes sollte der kurzfristige Liquiditätsbedarf gesichert werden. Mit einem "Notgroschen" ist man für unvorhergesehene Ausgaben gewappnet. Empfehlenswert sind drei Nettomonatsgehälter, bei Selbstständigen sollte es deutlich mehr sein. Zusätzlich sollte man eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung abschließen, um im Fall der wegfallenden Arbeitskraft abgesichert zu sein.
Erst dann geht es darum, Vermögen aufzubauen. Als Faustregel gilt, ein Zehntel des Bruttoeinkommens und die Hälfte von Sonderzahlungen zum Sparen einzuplanen.
Immobilien bieten Potenzial für mehr Einkommen
Viele wohnen in einem Eigenheim und besitzen zusätzlich Mietwohnungen, die Mieterträge abwerfen, die zum Einkommen beitragen. Nicht untypisch sind auch Paare, die neben den eigenen vier Wänden noch weitere abbezahlte Objekte besitzen, zum Beispiel an Urlaubsorten – und trotzdem von nur 30.000 Euro im Jahr leben. Ein Teilverkauf oder die Verrentung einer Immobilie könnte dazu beitragen, den finanziellen Spielraum zu erhöhen.
Tom Friess schlägt vor, dass man auch in eine eigene Wohnung ziehen oder eine seiner Wohnungen verkaufen, teilverkaufen oder verrenten könnte. Damit ließe sich die Struktur der Einnahmen und Ausgaben möglicherweise verbessern. Doch hier zögern viele deutsche Wohnungsbesitzer: "Immobilienvermögen soll oft nicht angetastet werden", stellt Tom Friess fest.
Worauf Unternehmer bei der Firmenübergabe achten müssen
Firmeninhaber, die sich ins Privatleben zurückziehen möchten, möchten ihr Unternehmen oft an die nächste Generation übergeben. Gibt es mehrere Kinder, müssen diese sich einigen, wer in das Unternehmen einsteigt und wie die anderen abgefunden werden.
"Der Unternehmer steht dann vor zwei großen Herausforderungen", erklärt Tom Friess. Erstens: Wie kann das Unternehmen ohne Streit der Kinder weitergeführt werden? Zweitens: Wie soll das Vermögen, das in der Firma, Immobilien und Beteiligungen steckt, so strukturiert werden, dass es gerecht verteilt wird und auch der Vater davon leben kann? Dabei gehe es um die richtige Bewertung der Vermögensgegenstände, die steuerliche Situation und auch um Liquidität, betont Tom Friess.